Donnerstag, 21. August 2008
Der Müll der Anderen
Einen Obdachlosen zu spielen ist leichter als man denkt. Die Leute sehen nur, was sie sehen wollen. Wenn sie das, was sie sehen wollen, einmal gesehen haben, dann schauen sie kaum noch hin.
Sarah wusch sich zwei Tage nicht, lieh sich einige ausgetragene Klamotten, setzte ein Kappi auf, um ihre all zu gepflegt wirkenden Haare zu verstecken.
Sie hatte eine Zeitlang Obdachlose beobachtet und wusste, dass die meisten von ihnen einen schlürenden Gang und einen leicht Hauch von Verrücktheit pflegten, so dass niemand all zu nahe an sie ran kommen wollte. Was vielleicht auch am Geruch ungewaschener Körper liegen mochte.
Doch die Penner waren ihr unheimlich. Sie war jung und konnte das nicht verstecken. Sie wusste bald, dass die Männlichen sie anbaggern oder sogar schlimmeres machen würde.
Und die Erfahrung, die sie machte, bereicherte sie sicherlich. Auch wenn sie mit ähnlichem schon gerechnet hatte, sie war mental nicht in der Lage, die Verachtung, die demonstrative Nichtbeachtung oder das Mitleid der Passanten lange zu ertragen. Sie wunderte sich noch weniger darüber, dass viele Obdachlose wirklich irre waren, dass Andere soffen oder harte Drogen oder irgendwelches Ersatzzeug nahmen.

Aber sie hatte aufgehört, sich vor Dreck zu eckeln und entdeckte ein neues Hobby, das Wühlen im Müll der Anderen.
Nachts schlich sie sich an die Mülltonnen, schlitzte die Säcke auf und sah nach, was die Leute so wegwarfen. "Zeige mir deinen Müll und ich sage dir, was du bist" witztelte sie viel später - zu einer anderen Zeit.
Ob du Fleisch isst, magersüchtig bist, ein Haustier hast, "ob du pervers bist, welche Verhütungsmttel oder Medikamente du benutzt. Wo du einkaufen gehst, ob du auf Fast Food stehst, wie oft du Pizza bestellst, dein Müll weiß alles"!

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